WiF-Zukunftslabor
Eine sehr zentrale Dimension der "Kooperation Akteure" besteht im Austausch der aktuellen Fachpraxis mit künftigen Fachpersonen, mit Studierenden der Sozialen Arbeit.
Im Rahmen eines 3-tägigen Seminars im Bachelorlehrgang der ZHAW Soziale Arbeit haben sich Studierende als künftige Fachpersonen mithilfe der Prozesse und Themen auf www.wif.swiss kritisch mit weiterführenden Frage- und Problemstellungen beschäftigt. Hierfür haben sie ausgehend von konkreten oder fiktiven Falldarstellungen aus der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe den aktuellen Stand der Wissenslandschaft als Orientierung genutzt. Als Resultat dieser Dialoge sind Produkt in Form von Reflexionsfragen, Begriffsbestimmungen o.ä. entstanden, die weiteren Fachpersonen dabei helfen könnten, zur relevanten Themen oder Prozessen Orientierung zu finden, Haltungen zu reflektieren und Qualität weiterentwickeln.
Vielen Dank an die Studierenden für diese interessanten Anregungen!
Nachfolgend finden Sie Beträge aus dem Herbstsemester 2021/2022, 2020/2021 sowie 2019/2020.
Andrea di Lazzaro, Mauro Fortunato, Anna Meier, Nerosa Linda Rasiah, Alessia Wüthrich
In sozialpädagogischen Einrichtungen entstehen zwischen jungen Menschen und sozialpädagogischen Fachpersonen in Alltagssituationen Konflikte. In der Gruppe stellten wir uns die Frage, wie diese Konflikte partizipativ ausgehandelt werden können, ohne dabei Sanktionen ausführen zu müssen. Deshalb möchten wir Reflexionsfragen definieren, die uns im Umgang mit den genannten Konfliktsituationen unterstützen können.
Fallbeispiel:
Die folgende Checkliste, die an unser Fallbeispiel angelehnt ist, soll als Orientierungshilfe in der Fallführung und Fallbegleitung dienen, so dass Zuständigkeiten fortlaufend neu präzisiert und reflektiert werden. Dies soll zu einer verbesserten Kooperation und Kommunikation der involvierten Akteure beitragen. Die Checkliste ist keinesfalls abschliessend und muss auf einzelne Fallbeispiele erweitert und angepasst werden:
Ein 16-jähriger Jugendlicher möchte am Freitagabend in den Ausgang. Die Regelung der Ausgangszeit sagt, der Jugendliche muss um 23:30 Uhr wieder in der Institution sein. Er kommt erst um 00:30 Uhr in die Institution zurück. Der Sozialpädagoge zeigt ihm die Ausgangszeiten auf und sagt ihm, er solle sich, wenn er es nicht um 23:30 Uhr schaffe bereits früher per WhatsApp melden und vorgängig mitteilen aus welchen Gründen er nicht um 23:30 Uhr in der Institution sein kann. Der Jugendliche hört sich das Gespräch an und versichert, dass er zukünftig rechtzeitig in der Institution sein wird. Doch wie sich zeigt, kommt er auch an den zukünftigen Wochenenden nicht zur abgemachten Ausgangszeit nach Hause. Es findet ein Gespräch mit der Bezugsperson statt, doch auch dieses Gespräch zeigt keine Wirkung. Der Jugendliche kommt nicht zur vereinbarten Ausgangszeit nach Hause. Der Sozialpädagoge stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre eine Sanktion anzuordnen wie beispielsweise die Ausgangszeiten ganz zu streichen. Diese Sanktion wird aber von der Institution nicht vertreten. Welche Reflexionsfragen könnte man sich stellen, die einem in solchen Situationen unterstützen? Wie sieht eine gelingendere Konfliktbewältigung aus?
Reflexionsfragen:
- Wie ist der Konflikt entstanden? Welche Personen sind noch involviert? (versuchen die Perspektive des jungen Menschen einzunehmen)
- Was hat die Situation im jungen Menschen und der involvierten Fachperson ausgelöst?
- Ist es eine wiederkehrende oder erstmalige Konfliktsituation?
- Ist es ein Konflikt aufgrund struktureller Begebenheiten?
- Welche Personen sind noch involviert?
- Wie ist das Beziehungsverhältnis zwischen der Fachperson und dem jungen Menschen?
- Was reproduziere ich auf das Verhalten der jungen Menschen?
- Gibt es präventive Möglichkeiten/Regulierungstechniken, die gemeinsam erarbeitet werden?
- Wie ist meine Haltung? Was ist mir wichtig?
- Ist es ein Konflikt, der mit meinem Menschenbild oder mit meinen inneren Werten kollidiert?
- Wie werden die Handlungsschritte mit dem Jugendlichen erarbeitet?
- Welche weiteren Akteure wie beispielsweise Fachpersonen und die Herkunftsfamilie müssen bei der Konfliktlösung mit einbezogen werden?
- Über welche Ressourcen verfügen die involvierten Personen und welche stehen ihnen zur Verfügung, um den Konflikt partizipativ zu lösen?
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Quellen und weiterführende Literatur:
Arnold, C., Wicki, T., Huwiler, K., Raulf, B. & Tanner, H. (2008). Pflegefamilien- und Heimplatzierungen: Eine empirische Studie über den Hilfeprozess und die Partizipation von Eltern und Kindern. Zürich: Rüegger.
Caspar, I., Heim, A. & Buchenau, P. (2019). Der Anti-Stress-Trainer Für Erzieher: Mit Kreativität und Eigener Anleitung Zum Entspannteren Umgang mit Stress (Anti-Stress-Trainer). Wiesbaden: Springer. doi.org/10.1007/978-3-658-25481-0
Gabriel, T. (2013). Partizipation - sozialpädagogische Dimensionen. In Integras (Hrsg.), Leitfaden Fremdplatzierung (S. 133–140). Zürich: Integras, Fachverband Sozial- und Sonderpädagogik.
Keller, S., Rohrbach, J. & Eberitzsch, S. (2021). Fachbroschüre „Beteiligung? Wie wir das sehen!“: zwölf Lebensbereiche junger Menschen im Diskurs. Zürich: ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. doi.org/10.21256/zhaw-2397
Scherzinger, M. (2018). Konflikte zwischen verhaltensauffälligen Heimjugendlichen und ihren Interaktionspartnerinnen und -partnern: Einzelfallstudien zum Konfliktverhalten in der stationären Erziehungshilfe. Weinheim: Beltz Juventa.
Scherzinger, M. (2020). Konflikte zwischen verhaltensauffälligen Jugendlichen und Fachkräften im Heim. Unsere Jugend, 72(2), 65–70.
Lea Krähemann, Klara Kurtovic, Jonas Rimann, Miriam Rusterholz, Mathis Stella, Sandra Wehrli
Die staatliche Massnahme der Kinder- und Jugendhilfe, ein Kind von seinen Eltern zu trennen und in einer Pflegefamilie unterzubringen, ist ein entscheidender Eingriff in das Leben eines Menschen (Nienstedt & Westermann, 2007). Die Inpflegegabe eines Kindes wird durch dramatische Zuspitzungen in der Herkunftsfamilie und durch eine langjährige Leidenserfahrung erklärt (Blandow, 2004). Nach Art. 310 ZGB greift die Kindesschutzbehörde ein, wenn das Verbleiben bei den Eltern unzumutbar geworden ist und aufgrund der Umstände nicht mehr anders geholfen werden kann (Aeppli, 2013). Das Kind kann dann in eine Pflegefamilie platziert werden. Um Pflegekinder aufnehmen zu können, braucht es nach Art. 316. ZGB eine Verfügung der Kindesschutzbehörde und die Pflegeeltern werden unter Aufsicht gestellt (Aeppli, 2013). Dies wird als wichtig erachtet, da ein Pflegeverhältnis nicht nur Chancen, sondern auch Risiken mit sich bringt (Seiterle, 2017). Dazu gehören die Verhaltensweisen des Kindes, sowie das Kooperieren mit der Herkunftsfamilie. Leibliche Familien können nicht durch Pflegefamilien ersetzt werden (Gehres & Hildenbrand, 2008). Das Pflegekind bewegt sich, während der andauernden Fremdplatzierung, in einem Beziehungsvieleck, in welchem sich die einzelnen Akteure in einer Wechselwirkung befinden und Einfluss auf die Entwicklung des Pflegekindes nehmen (Gassmann, 2010). Pflegekinder haben den Wunsch nach Geborgenheit, die auch von den Pflegeeltern vermittelt werden kann, wenn die Herkunftsfamilie ausfällt. Dennoch wünscht sich das Pflegekind, die leiblichen Eltern zu kennen und mit ihnen Kontakt zu haben (Gehres, 2008). Die Herkunftsfamilie ist trotz der Fremdplatzierung die Primärinstanz für das Pflegekind und hat auf wichtige biographische Ereignisse Einfluss. Die Herkunftsfamilie hat eine Bindungskraft, die gerade im Konfliktfall stärker ist, als die der Pflegeeltern, selbst wenn es sich um ein langfristiges Pflegeverhältnis handelt (Gehres, 2008). Die Biografie des Kindes ist nicht nur das Resultat der erfahrenen und erinnerten Lebenswelt, sondern auch durch die Interaktionsprozesse zwischen den sozialen Instanzen und dem Individuum. Das Pflegekind sieht sich oft selbst als schuldig für die Trennung seiner Familie. Diese Wahrnehmung hat einen Zusammenhang mit den Interaktionsprozessen zwischen der Herkunfts- und Pflegefamilie und der Jugendhilfe (Macke, 2010). Es ist die Aufgabe der Sozialen Arbeit die Steuerung, Koordination und Hilfe zu übernehmen und dabei die Ziele der Beteiligten zu berücksichtigen. Das Wohl des Kindes steht dabei im Zentrum. Die Rolle des verantwortlichen Mitarbeitenden ist vielfältig. Es kann zu der Vermittlung und fachlichen Begleitung zwischen zwei Familien kommen (Kuhls & Glaum, 2014).
In den Empfehlungen zur ausserfamiliären Unterbringung (SODK & KOKES, 2020) nimmt die Herkunftsfamilie erst einen Platz am Rande ein, weshalb es als wichtig erachtet wird, sich mithilfe von Reflexionsfragen mit der Kommunikation der Fachpersonen zu der Herkunftsfamilie auseinanderzusetzen.
Reflexionsfragen:
- Ist meine Kommunikation mit den Eltern bzw. dem Bezugssystem zweckmässig und ausreichend?
- Warum gibt es für Pflegefamilie Beratung und Begleitung, nicht aber für die Herkunftsfamilie?
- Aus welchen Gründen wird die Herkunftsfamilie oft zu wenig berücksichtigt?
- Wie kann ich die Eltern in dem Ablösungsprozess unterstützen?
- Was kann ich machen, um den Eltern
- Inwiefern kann die Zusammenarbeit mit Fokus auf das Kind mit den Eltern gestaltet werden?
- Wie kann ich eine gesamtheitliche Betrachtung der Partizipation der Eltern gestalten?
- Wo setze ich auch die Grenzen des Einbezugs der Eltern? (beispielsweise wenn eine Gefährdung besteht?
- Wie kann ich die Bedürfnisse der Herkunftsfamilie abholen? Welche Fachpersonen beziehe ich mit ein?
- Welche Rolle und damit verbunden Rechte, Pflichten und Mitbestimmung hat die Herkunftsfamilie im spezifischen Fall?
- Bei welchen Vorfällen beziehe ich die Eltern mit ein? Wo vielleicht auch nicht?
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Quellen und weiterführende Literatur:
Aeppli, S. (2013). ZGB, OR: Schweizerisches Zivilgesetzbuch und Schweizerisches Obliga- tionenrecht mit weiteren Erlassen sowie Bundesgerichtspraxis (37. Aufl.). Zürich: Orell Füssli Verlag AG.
Blandow, J. (2004). Pflegekinder und ihre Familien: Geschichte, Situation und Perspektiven des Pflegekinderwesens. Weinheim: Juventa.
Gassmann, Y. (2010). Pflegeeltern und ihre Pflegekinder. [PDF], Münster: Waxmann.
Gassmann, Y. (2014). Aufwachsen in einer Pflegefamilie. Gute Bedingungen für die Ent- wicklung von Pflegekindern. In A. Kuhls, J. Glaum & W. Schröer (Hrsg.), Pflegekinderhilfe im Aufbruch: Aktuelle Entwicklungen und neue Herausforderungen in der Vollzeitpflege (S. 92-122). Weinheim, Basel: Beltz Juventa.
Gehres, W. & Hildenbrand, B. (2008). Identitätsbildung und Lebensverläufe bei Pflegekin- dern (1. Aufl.). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Gehres, W. (2016). Als-Ob-Sozialisation? Perspektiven auf die familiensoziologische Identi- tätsbildung von Pflegekindern. Würzburg: Ergon.
Kuhls, A. (2014). Bestandsaufnahme und ein Blick in die Zukunft in der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege. In A. Kuhls, J. Glaum & W. Schröer (Hrsg.), Pflegekinderhilfe im Aufbruch: Aktuelle Entwicklungen und neue Herausforderungen in der Vollzeitpflege (S. 13-23). Weinheim, Basel: Beltz Juventa.
Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren und Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde. (2020). Empfehlungen der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren und der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz zur ausserfamiliären Unterbringung. Luzern: Eigenverlag.
Nienstedt, M. & Westermann, A. (2007). Pflegekinder und ihre Entwicklungschancen nach frühen traumatischen Erlebnissen. Stuttgart: Klett-Cotta.
Macke, K. (2010). Biografiearbeit mit Pflegekindern. Anforderungen, Chancen und Gren- zen. In R. Branches-Chyrek, K. Macke, I. Wölfel (Hrsg.), Kindheit in Pflegefamilie: Schrif- tenreihe der Gilde Soziale Arbeit, Band 1 (S. 11-22). Opladen: Budrich.
Seiterle, N. (2017). Ergebnisbericht Bestandesaufnahme Pflegekinder Schweiz 2015. Zürich: PACH Page- und Adoptivkinder Schweiz. Verfügbar unter: http://pa- ch.ch/wp-content/uploads/2017/05/PACH_Bericht_Nicolette_Seiterle_2017.pdf
Seiterle, N. (2017). Pflegekinder: Bald publiziert PACH erste Schweizer Zahlen. Netz Spe- zial, (1), 4-11. Verfügbar unter: http://pa-ch.ch/wp-content/uploads/2017/02/Netz- Spezial-Web.
Kommt es im Bereich des Kindesschutzes zu einer ausserfamiliären Unterbringung bedeutet dies nicht nur für das Kind eine enorme Veränderung in seiner Biografie, sondern auch für die Herkunftseltern. Die Kindsschutzsysteme legen den Fokus auf das Kind und das Kindswohl. Dabei kann bei den betroffenen Herkunftseltern das Gefühl entstehen, dass ihre Ängste und Bedürfnisse in dem Prozess der Fremdplatzierung kaum miteinbezogen werden. In der Realität hat die Fremdplatzierung auch direkt Auswirkungen auf die Lebenswelt der Eltern. Faltermeier (2017) unterteilt diese in drei übergeordnete Kategorien. Diese sind:
- Sozioökonomische Aspekte: Geld, Wohnung, Gesundheit, Erwerbstätigkeit, etc.
- Elternbezogene Aspekte: Soziale Kompetenzen, Sucht, Stressbewältigung, Erziehungshandeln, Schuldgefühle, etc.
- Soziales Umfeld: Informelle Netzwerke, Vertrauenspersonen, Umgang mit Behörden, Stigmatisierung, etc.
Um die Herkunftseltern in diesem Prozess zu unterstützen, bedarf es einer professionellen und fachlichen Begleitung, welche auf die Bedürfnisse der Herkunftseltern zugeschnitten ist. Innerhalb des Diskurses der Integras und PACH-Tagung wurde ersichtlich, dass die Frage, wer diese Unterstützungsarbeit ausführen soll, nicht geklärt ist, jedoch wird anerkannt, dass hier eine Lücke vorhanden ist.
Ideen für Handlungsansätze:
- Beratungsstelle für Eltern:
Elternarbeit der platzierenden Stellen und Institutionen richten den Fokus oftmals auf die Kinder. Eltern deren Kinder ausserfamiliär aufwachsen, sollen im Prozess der Platzierung die Möglichkeit von persönlicher und professioneller Beratung erhalten. Dabei sollen sie in ihren Sorgen und Anliegen ernst genommen werden. Die vom Prozess losgelöste Beratungsstelle soll den Eltern Unterstützung in der Bewältigung der aktuellen Lebensphase bieten, wobei gegebenenfalls auch andere Fachstellen (Psychologie, Suchtberatung, etc.) beigezogen werden können. - Austauschmöglichkeiten für betroffene Eltern:
Es sollen Angebote wie Workshops, Gruppengespräche, etc. für betroffene Eltern geschafft werden - Unabhängige Ansprechpersonen:
In Institutionen / DAF sollen Eltern eine von Kind unabhängige Ansprechperson erhalten. So können Interessenskonflikte zwischen Bedürfnissen von Kind und Eltern verhindert werden. Zusätzlich kann sichergestellt werden, dass Eltern nicht aus dem Alltag ihres Kindes ausgeschlossen werden und sie wissen, wohin sie sich mit Fragen und Anliegen wenden können.
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Quellen und weiterführende Literatur:
Biene, M. (erscheint 2022). Systemische Interaktionstherapie und -beratung - Ein Praxisbuch für systemisches Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen und ihren Familien. Stuttgart: Kohlhammer.
Faltermeier, J. (2017). Herkunftsfamilien und Fremdplatzierung - Erziehungspartnerschaft auf Zeit - Herausforderungen für die professionellen Dienste.
SOS Kinderdorf - Sozialpädagogisches Institut. (2004). Herkunftsfamilien in der Kinder- und Jugendhilfe. München: Eigenverlag.
Dieser Beitrag richtet den Fokus darauf, wie junge Menschen im Übergang vom stationären Setting in eine eigene Wohnform adäquat begleitet werden können. Wir konzentrieren uns hierbei auf junge Erwachsene, die nicht in ihre Herkunftsfamilie zurückkehren.
Die eigenständige Lebensführung ist gemäss Böhnisch (2012) eine wichtige Entwicklungsaufgabe und deren erfolgreiche Bewältigung ein bedeutsamer Schritt im Leben eines jungen Menschen. Dadurch, dass das Leben im stationären Rahmen häufig stark strukturiert ist, fühlen sich viele junge Erwachsene danach alleingelassen. Sie haben beispielsweise Mühe damit, ihre Wünsche und Erwartungen dazu zu äussern, wie und wo sie wohnen möchten. Es ist somit wichtig, dass Fachpersonen sich den Herausforderungen, welche im Übergang auftauchen, bewusst sind. Aus dem Diskurs der Jugendhilfe ist bekannt, dass die Entwicklung einer realistischen Vorstellung über das selbständige Wohnen eine positive Auswirkung auf die Eigenständigkeit der jungen Erwachsenen hat. Dazu werden im Folgenden weiterführende Reflexionsfragen formuliert:
Reflexionsfragen:
- Haben die jungen Erwachsenen eine realistische Vorstellung des Wohnens?
- Konnte ein realistisches Bild des Lebens ausserhalb des Heims thematisiert werden?
- Gibt es Instrumente, mit welchen das selbständige Wohnen trainiert werden kann?
- Wann ist der richtige Zeitpunkt, um den Austritt zu thematisieren?
- Haben wir die nötigen Ressourcen, um die jungen Erwachsenen bei der Wohnungsbewerbung zu unterstützen?
- Wurden sowohl die formellen wie auch die emotionalen und sozialen Aspekte bezüglich des Austritts abgeholt?
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Weiterführende Literatur:
Böhnisch, L. (2012). Sozialpädagogik der Lebensalter. Weinheim: Beltz Juventa.
Sievers, B., Thomas, S. & Zeller, M. (2015). Jugendhilfe – und dann? Frankfurt a.M.: IGfH-Eigenverlag.
Wir haben uns zu Beginn mit der Frage beschäftigt, ob der perfekte Platzierungsprozess existiert und was dieser genau beinhaltet. Nach reichlichen Diskussionen und Auseinandersetzungen mit der Thematik sind wir zum Schluss gekommen, dass es den optimalen Platzierungsprozess nicht gibt, da die Entscheidung und/oder Situation immer von verschiedenen Gegensätzen geprägt ist und verschiedene Hürden zu bewältigen hat. Also haben wir uns entschieden, uns auf die möglichen Herausforderungen während dem Prozess der Platzierung zu konzentrieren. Dafür wurden die Prozessschritte nummeriert und anschliessend um Reflexionsfragen ergänzt. Es ist klar, dass jeder Prozess individuell und somit auch die jeweiligen Herausforderungen unterschiedlich sind.

Mögliche Herausforderungen - Reflexionsfragen:
1) Kindeswohlabklärung oder Bedarfseinschätzung (Art. 9 JStG):
- Wie schätzt man das Kindeswohl ein, bei einem Kind, welches (noch) keine Sprache verfügt oder beeinträchtigt ist? Wie kann man sicherstellen, dass das Kind nicht voreingenommen von den Meinungen der Eltern ist?
- Wie weit lässt man das Kind mitentscheiden?
- Inwiefern ist das Kindeswohl gefährdet und würde eine Platzierung das Kindeswohl nicht auch gefährden?
2) Bisherige Zusammenarbeit
- Flexibilität vs. Kontinuität: Wie kann eine bestmögliche Kontinuität geschaffen und gleichzeitig genug Flexibilität hergestellt werden?
- Stabilität: Welche Personen sind bereits im Prozess involviert und wie kann man diese beibehalten? (Stichwort: Wechsel der Fachpersonen)
- Halt vs. Erforderlichen Wechsel: Gewohnheit gibt einen gewissen Halt, was jedoch, wenn die Zusammenarbeit bisher nicht sehr gut verlaufen ist?
3) Problemkonstellation
- Welche Probleme treten auf und wer sieht was als Problem an?
- Welche Probleme sind dringend?
- Welche Probleme sind unlösbar?
4) Behördenentscheid Platzierung KESB/JStrB
- Hat die Behörde genug Zeit um eine vollständige und allumfassende Abklärung zu machen? (Dringlichkeit vs. administrativer Aufwand und genaue Abklärung)
- Wahrheit der Fachpersonen vs. Wahrheit der Betroffenen?
5) Formular Platzierungsauftrag durch Erziehungsberechtigte
- Wie kann man die Erziehungsberechtigen beim Ausfüllen unterstützen?
- Wo können sich die Erziehungsberechtigen bei Fragen melden? Gibt es eine Anleitung?
- Wie kann man die Eltern am besten im Prozess begleiten, ohne sie zu bevormunden, aber gleichzeitig auch sicherstellen, dass zum Wohl des Kindes entschieden wird?
6) Errichtung Beistandschaft
- Werden Beistände gewechselt, wenn die Harmonie zwischen den Kindern, Familie und Beistand/ Beiständin nicht stimmt?
7) KESB/JStG formulierter Auftrag
- Wie stark beeinflusst die individuelle Wahrnehmung der zuständigen Person, die den Auftrag formuliert, die Formulierung?
- Was, wenn der Auftrag nicht das Problem formuliert, welches der/die Betroffene gerne gelöst hätte?
8) Abklärung und Bedarfseinschätzung durch spezialisierte Stelle
- Wie handhabt man eine Notfallplatzierung, dass man doch alle wichtigen Abklärungen erledigen kann?
- Wie kann man sicherstellen, dass die Abklärung genau und konkret gemacht wird, ohne zu viel Zeit zu benötigen? Wie kann man gewährleisten, dass eine Notfallplatzierung ebenfalls so gut wie möglich eingeschätzt werden kann?
9) Kritische Reflexion und Präzisierung des Auftrags durch platzierende Stelle/Beistandschaft
- Individuelle Reflexion, einseitige/ individuelle Meinung zum Auftrag: (Wie) Werden die Betroffenen mit einbezogen und befragt?
10) Allenfalls Prozessbegleitung durch Dienstleistungsanbieterin
- Inwiefern führt die fakultative Prozessbegleitung durch Dienstleistungsanbieter zu einer Ungleichbehandlung im Platzierungs- als auch Betreuungsprozess?
- Wie kann der Nichteinbezug von Dienstleistungsangeboten in der Familienpflege (DAF) im Prozess legitimiert werden, obschon Studien die Wichtigkeit einer umfassenden Begleitung und Vorbereitung der Pflegefamilien belegen?
(Quelle: https://www.integras.ch/de/aktuelles/464-was-tun-fpo-interpellation) - Welcher qualitativen Aufsicht unterstehen die Dienstleistungsanbieter?
11) Angebotssuche und -auswahl
- Wie viele Angebotsmöglichkeiten bestehen effektiv?
- Wie kann ausgeschlossen werden, dass die Angebotsauswahl in der Praxisrealität aufgrund Mangels an zeitlicher Ressourcen oder Bequemlichkeit nicht auf ein Minimum reduziert wird und dem Kindeswohl stärker entsprechende Angebote folglich keine Berücksichtigung finden?
- Wie wird den Kindern und Jugendlichen in diesem Prozessschritt die Möglichkeit zur Partizipation eingeräumt?
12) Entscheidung über den Platzierungsort
- (Wie) Kann ein Entscheid über den Platzierungsort losgelöst von finanziellen und zeitlichen Faktoren erfolgen?
- Wie soll vorgegangen werden, wenn die Beteiligten Akteure bezüglich der Entscheidung über den Platzierungsort zu keinem Konsens gelangen?
13) Entscheidung Finanzierung
- Entscheiden vielleicht nicht teilweise die finanziellen Ressourcen, wie das passende Angebot aussieht?
14) Übergang zu Betreuungsprozess
- Wer begleitet das Kind im Übergang?
- Wie sieht die Begleitung der leiblichen Eltern in diesem Übergang aus?
- Hat man genügend Zeit, das Kind auf den Übergang vorzubereiten?
15) Zusammenarbeit mit den jungen Menschen und ihrem Bezugssystem
- Was, wenn die jungen Menschen nicht kooperieren?
- Was, wenn das Bezugssystem mit keiner Lösung einverstanden ist?
- Hat man genügend Zeit, den jungen Menschen und das Bezugssystem einzubeziehen?
16) Fallführung, Fallbegleitung, Beistandschaft
- Was ist, wenn man zu viele Fälle gleichzeitig begleiten muss?
- Wie erreicht man die Zufriedenstellung aller Beistandschaften und Begleitungen, ohne einen Fall zu vernachlässigen?
- Wie kann man die Ressourcen gewinnbringend einsetzen?
- Beistand hat jeweils ca. 60 Fälle, wie kann gewährleistet werden, dass sie allen Fällen gleich viel Ressourcen zur Verfügung stellt. Wie kann die Fallbegleitung optimal sein, ohne einige zu vernachlässigen?
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Quellen und weiterführende Literatur:
Felder, K. (2009). Partizipation von Kindern und Jugendlichen am Indikationsprozess zur Fremdplatzierung. [PDF], Winterthur: Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Neuer, J. (2014). Fremdunterbringung durch die Jugendwohlfahrt. Wiesbaden: Springer Gabler.
Wolf, M. Dietrich-Daum, E., Fleischer, E. & Heidegger, M. (Hrsg.) (2013). Child Care: Kulturen, Konzepte und Politiken der Fremdbetreuung von Kindern. Basel; Weinheim: Beltz Juventa.
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Ab hier Beiträge von Studierenden aus dem 2. Zukunftslabor, Herbstsemester 2020/2021:
Die Auswahl der passenden Institutionen im Platzierungsprozess
[Partizipation/Zusammenarbeit mit den jungen Menschen/ Prozess]
Dina Aprile, Daniela Marty, Valentina Sciurba & Irene Wurzer
Als Platzierungsprozess bei Fremdplatzierungen wird der Zeitraum bezeichnet, welcher zwischen dem Auftrag der Behörden oder der Eltern und der Platzierung, also des Eintrittes eines Kindes oder eines Jugendlichen in ein geeignetes Angebot (Heim oder Pflegekinderbereich). Im Punkt der Angebotssuche und der Angebotsauswahl, ist es das Ziel eine möglichst passende Lösung für die jungen Personen zu finden. Möglichst passend bedeutet, den Bedarfslagen, Bedürfnissen und Zielen der Kinder und Jugendlichen entsprechend. Mit diesen Ansprüchen soll ein bestmöglichpassendes Angebot für das Individuum gesucht und gefunden werden (Wissenslandschaft Fremdplatzierung, 2020).
In der Praxis zeigt sich, dass die Auswahl der passenden Institution im Platzierungsprozess ein Spannungsfeld darstellt. So stehen auf der einen Seite die jungen Personen mit ihren individuellen Bedürfnissen, welche sich unter anderem aus ihrer bisherigen Biografie ergeben. Und dem gegenüber steht das effektive Angebot an Institutionen bzw. die Belegungssituation und die Aufnahmevorschriften in den Kindern und Jugendheime, welche die Platzauswahl zusätzlich einschränkt
In diesem Zusammenhang möchten wir uns als angehende Sozialarbeitende mit unserem Produkt an der Lösung von strukturellen Problemen beteiligen. Da das dargestellte Problem ebenfalls struktureller Ursache ist, möchten wir in erster Linie Fachpersonen, wie Beistände und gegebenenfalls auch die Fachpersonen der Heimlandschaft auf diese Problematik sensibilisieren sowie im besten Fall einen Diskurs über dieses Spannungsfeld auslösen.
Durch das Produkt sollen Fachpersonen ihr Handeln im Hinblick auf die Bedürfnisorientierte Heimplatzierung kritisch reflektieren.

© Timo Lanz vom Studiengang Industrial Design, Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW)
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Weiterführende Literatur
Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz, (2010). Ein Argumentarium für die Praxis der Professionellen. Avenir Social- Professionelle Soziale Arbeit Schweiz. Bern: Professionelle Soziale Arbeit.
Günder, R. (2014). Stationäre Jugendhilfe: Erkenntnisse und Probleme zum Aufnahmeprozess. In Nowacki, K. (Hrsg.), Die Neuaufnahme in der stationären Heimerziehung (S.15 – 34). Freiburg im Breisgau: Lambertus-Verlag.
Integras. (2014). Fremdplatzierung….denn wir wissen was wir tun. Plattform Fremdplatzierung. Zürich: Eigenverlag.
Muss, H. (2014). Aufnahme als Schlüsselprozess aus Sicht eines freien Trägers der Jugendhilfe. In Nowacki, K. (Hrsg.), Die Neuaufnahme in der stationären Heimerziehung (S.35 – 82). Freiburg im Breisgau: Lambertus-Verlag.
Partizipation von Kindern und Jugendlichen an einem Standortgespräch (Stao)
[Partizipation/Zusammenarbeit mit den jungen Menschen/ Prozess]
Arbeit von angehenden Sozialarbeitenden ohne Namensangaben
Auf der einen Seite stehen die persönlichen Interessen und expliziten Rechte des Individuums und diejenigen Personen, welche seine Rechte und damit die Selbstbestimmtheit hochhalten, auf der anderen Seite stehen nicht explizit geäusserte Rechte wie das Recht auf eine gesunde Entwicklung, welche durch den pädagogischen Auftrag und den mit der pädagogischen Verantwortung beauftragten Professionellen vertreten werden. Laut WiF.swiss bildet das Stao einen festen Bestandteil des Betreuungsprozesses. Dabei sollen vor allem die Ziele, welche während der Platzierung handlungsbestimmend sind und die Dauer der Fremdplatzierung im Fokus stehen (2020).
Um während einem Stao eine altersentsprechende Partizipation zu ermöglichen, gilt es, den Entwicklungsstand des/der betroffenen Jugendlichen mit zu bedenken und die Gesprächsführungsmethoden deren Bedürfnissen anzupassen. Die Art und Weise, wie das Gespräch geführt wird, trägt wesentlich zu den Partizipationsmöglichkeiten der Jugendlichen am Standortgespräch bei. So können gemäss Wolff, Ackermann et al. (2014, S. 22) verweisen darauf, dass Kinder und Jugendliche eher ihre Aufmerksamkeit aufrechterhalten und einem Gespräch folgen, wenn dieses in einer niederschwelligen Sprache geführt wird und dazwischen immer wieder kurze Pausen eingebaut werden. Weiter sollte bei einem Stao nebst der Quantität auch die Qualität der Beteiligung der einzelnen Akteure beachtet werden. Das heisst, dass es wesentlich ist, in welcher Art und Weise die Redebeiträge der Jugendlichen berücksichtigt werden. Von tatsächlichem Einfluss auf den Gesprächsverlauf und eventualiter auch auf abschliessende Entscheidungen kann nur dann die Rede sein, wenn von der Klientel gesetzte Themen eine inhaltliche Weiterbearbeitung erfahren (Messmer & Hitzler, 2011, S. 182). Professionelle der Sozialen Arbeit sind im Rahmen einer Stao zum einen dafür verantwortlich, als Expert*innen zu agieren, zum anderen ist es aber auch ihre Aufgabe, in eine Beziehung zu treten, wobei diese Beziehung nicht hierarchisch, dafür aber teilnahmeorientiert gestaltet sein sollte (Messmer & Hitzler, 2015, S. 60).
Auf der Website von WiF.swiss sind Reflexionsfragen zum Stao zu finden, welche sich vor allem auf die Rahmenbedingungen fokussieren. Wir haben ergänzende Reflexionsfragen erarbeitet, welche die Kinder und Jugendlichen stärker in den Fokus nehmen und die Möglichkeit der Partizipation unterstützen könnten:
Reflexionsfragen
- Wurden die Machtasymmetrien, welche in einem Standortgespräch auftreten können, thematisiert und transparent gemacht? (bspw. verhandelbare vs. nicht verhandelbare Regeln)
- Ist die Teilnehmerzahl angemessen, förderlich oder hinderlich für die Partizipation des Kindes oder des/der Jugendlichen?
- Besteht die Möglichkeit, eine Vertrauensperson für das Kind oder den/die Jugendliche/n zu deren Unterstützung zum Gespräch mitzunehmen?
- Welche Rollenkonstellationen ergeben sich aus der Teilnehmerzusammensetzung für das betroffene Kind oder den/die betroffene/n Jugendliche/n? (Rollenklärung)
- Ist der Entwicklungsstand des Kindes oder des/der Jugendlichen bedacht und sind die Gesprächsführungsmethoden dementsprechend angepasst worden?
- Werden regelmässige und zeitlich genug lange Pausen eingelegt?
- Werden die Aussagen von Kindern und Jugendlichen angemessen gewichtet? Wird diesen Aussagen entsprechende Relevanz beigemessen?
- Nebst den obig fachlich verorteten Reflexionsfragen möchten wir im Anschluss noch einige Reflexionsfragen anbringen, welche auf unserer persönlichen Praxiserfahrungen gründen:
- Wer bestimmt über das Setting des Stao?
- Werden nur Themen angesprochen und diskutiert, welche für den eigentlichen Grund der Stao relevant sind?
- Stehen Hilfsmittel oder Instrumente zur Verfügung, um die Sichtweise des Gegenübers besser zu verstehen?
Wer wählt die Räumlichkeit des Stao aus?
Wer bestimmt über Zeitpunkt und Dauer des Stao?
Wer entscheidet über Teilnehmende sowie deren Anzahl des Stao?
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Weiterführende Literatur
AvenirSocial. (2010). Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz. Ein Argumentarium für die Praxis der Professionellen. Bern: AvenirSocial.
Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen EKKJ. (2011). Kindern zuhören, das Recht auf Meinungsäusserung und Anhörung. Bern: Eidgenössisches Departement des Innern EDI, Schweizerische Eidgenossenschaft.
Grunwald, K. & Thiersch, H. (Hrsg.) (2004). Praxis Lebensweltorientierter Sozialer Arbeit. Handlungszugänge und Methoden in unterschiedlichen Arbeitsfeldern. Weinheim und München: Juventa Verlag.
Messmer, H. & Hitzler, S. (2015). Interaktion und Kommunikation in der Sozialen Arbeit. Fallstudien zum Hilfeplangespräch. In Otto, H.-U., Oelerich, Gertrud (Hrsg.), Empirische Forschung und Soziale Arbeit. Ein Studienbuch (S. 51- 64). Wiesbaden: VS-Verlag.
Pluto, L. (2007). Partizipation in den Hilfen zur Erziehung. Eine empirische Studie. München: Verlag Deutsches Jugendinstitut.
Schnurr, S. (2018). Partizipation. In: G. Grasshoff, A. Renker & W. Schröer (Hrsg.), Soziale Arbeit: Eine elementare Einführung (S. 631-648). Wiesbaden: Springer VS.
Sponagl, P. (2002). Das Hilfeplangespräch in der Heimerziehung: Wahrnehmung und Bewertung von Hilfeplangesprächen innerhalb eines heilpädagogischen Kinderheimes aus Sicht der beteiligten Kinder/Jugendlichen, Eltern, Jugendamts-/ ASD-Vertreter und pädagogischen Fachkräfte. München: Lambertus Verlag.
Thiersch, H. (2014). Lebensweltorientierte Soziale Arbeit (9. Aufl.). Weinheim: Betz Juventa.
Wolff, R., Ackermann, T., Biesel, K., Brandhorst, F., Heinitz, S., Patschke, M. (2014). Beiträge zur Qualitätsentwicklung im Kindesschutz. Praxisleitfaden. Dialogische Qualitätsentwicklung im kommunalen Kinderschutz. (Aufl. 1.10.12.13). Paderborn: Bonifatus GmbH Druck – Buch – Verlag.
Elternarbeit im Kontext Fremdplatzierung
[Partizipation/Zusammenarbeit mit dem Herkunftssystem]
Fiona Bobo, Simon Kessler, Wanja Lochmann & Livia Studer
Eine gelingende Zusammenarbeit zwischen den Eltern der fremdplatzierten Kinder und Jugendlichen und den Fachpersonen im Fremdplatzierten Kontext stellt in der Umsetzung eine grosse Herausforderung dar. Hierfür braucht es über die Standortgespräche hinaus regelmässiger Austausch, gemeinsame Ziele, sowie auch eine grundlegende Transparenz. Nur dann können die Förderung und Entwicklung der Kinder und Jugendlichen vorangetrieben werden. Es soll im Betreuungsprozess geklärt werden, welche Fachpersonen im regelmässigen Austausch mit den Eltern bleiben und wie dieser gestaltet wird. Es kann nicht klar abgegrenzt werden, welche Methoden und Herangehensweise es dazu benötigt, da es sehr vom System und den involvierten Personen abhängt.
Dazu werden folgende weitergehende Reflexionsfragen aufgelistet, um das Gelingen in der Zusammenarbeit zu ermöglichen:
- Wer ist die direkte Ansprechperson für die Eltern? (Bezugsperson auf der Wohngruppe, Klassenlehrperson)
- Wie findet ein regelmässiger Austausch statt? Welchen Anspruch wird vorausgesetzt seitens der Fachpersonen aber auch seitens der Eltern? (z.B. wöchentliche Telefonate, persönliche Gespräche, …)
- Was sind die zentralen Themen im Gespräch? Welche Ziele verfolgen wir?
- Wie kann Verbindlichkeit hergestellt werden? Was braucht es dafür aus Sicht der Eltern und Fachpersonen?
- Wie werden allfallende Themen aus den Gesprächen mit den Eltern gegenüber den Kindern und Jugendlichen kommuniziert? Wie wird die Transparenz gegenüber den Kindern und Jugendlichen hergestellt?
- Welche Haltung, Werte und Vorstellungen prägen mich als Fachperson?
- Was verstehe ich als Fachperson unter einer gelingenden Zusammenarbeit?
- Inwieweit ist es meinem Gegenüber überhaupt möglich, meine Vorstellungen einer gelingenden Zusammenarbeit zu erfüllen? Aufgrund der Subjektivität ist es wichtig, die unterschiedlichen Vorstellung transparent zu machen.
- Was ist mein Ziel in der Rolle als Fachperson? Was ist das Ziel des Gegenübers?
- Wie kann die Sicht der Eltern als Experten/innen ihrer Kinder, zusammen mit der fachlichen Sichtweise im Prozess berücksichtigt werden?
- Welche Gefühle und Emotionen tragen die Eltern und Fachpersonen in die Zusammenarbeit und wie wird damit umgegangen?
- Handelt es sich um eine Kindeswohlgefährdung?
- Welche Leitemotionen verhindern es den Eltern zu kooperieren?
- Wer übernimmt welche Rolle in den weiteren Schritten, damit die Zusammenarbeit mit Eltern und Kinder und Jugendlichen gewährleistet werden kann?
- Welche Informationen müssen transparent gemacht werden?
- Wenn Eltern blockieren - was verbirgt sich möglicherweise dahinter?
Durch unterschiedliche Ausgangslagen in den jeweiligen Systemen rund um die Kinder und Jugendlichen können verschiedenste Probleme auftreten. Gerade bei Wochenplatzierungen, wenn Kinder und Jugendliche das Wochenende und die Ferien zuhause verbringen, kann es zu Komplikationen bei der Förderung der Kinder und Jugendlichen führen. Es kann zu Kindeswohlgefährdungen kommen oder auch zu nichtkooperierenden Eltern. In diesen Fällen ist es für die Fachpersonen eine grosse Herausforderung. Beispielsweise sind bei nicht angeordneten Platzierungen nicht viele Interventionen möglich. Wenn es aus Sicht der Professionellen zu einer Gefährdungsmeldung kommen muss, weil das Kindeswohl gefährdet ist, muss im System gut abgewogen werden, welche Person im System welche Schritte einlegt.
Dazu folgende Reflexionsfragen:
- Handelt es sich um eine Kindeswohlgefährdung?
- Welche Leitemotionen verhindern es den Eltern zu kooperieren?
- Wer übernimmt welche Rolle in den weiteren Schritten, damit die Zusammenarbeit mit Eltern und Kinder und Jugendlichen gewährleistet werden kann?
- Welche Informationen müssen transparent gemacht werden?
- Wenn Eltern blockieren - was verbirgt sich möglicherweise dahinter?
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Weiterführende Literatur
Faltermeier, J. (2019). Eltern, Pflegefamilie, Heim. Partnerschaften zum Wohle des Kindes. Weinheim: Beltz Juventa.
Günder, R. (2011). Praxis und Methoden der Heimerziehung. Freiburg: Lambertus Verlag.
Ross, L. & Tschöpe-Scheffler, S. (Hrsg.) (2014). Gute Zusammenarbeit mit Eltern in Kitas, Familienzentren und Jugendhilfe: Qualitätsfragen, pädagogische Haltung und Umsetzung. Opladen, Berlin & Toronto: Barbara Budrich Verlag.
Schulze-Krüdener, J. & Homfeldt, H.G. (2013) Elternarbeit in der Heimerziehung. In W. Stange, R. Krüger, A. Henschel & Ch. Schmitt (Hrsg.), Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. Praxisbuch zur Elternarbeit (S. 250-257). Wiesbaden: Springer VS.
"Der Systemsprenger"
[Partizipation/Zusammenarbeit mit den jungen Menschen]
Anja Buschor, Sara Hauser, Melanie Lübbers & Beatrice Weber
Nicht erst seit dem gleichnamigen Film wird immer wieder von sogenannten «Systemsprengern» gesprochen, wenn junge Menschen und die Angebote an ihre Grenzen stossen. Dazu wurden nach Sichtung des Fachdiskurses von den Studierenden und künftigen Sozialarbeitenden zwei Bilder erstellt:

© Beatrice Weber

© Beatrice Weber
Was ist auf den zwei Bildern zu erkennen? Welche Unterschiede sind erkennbar? Welche fachlichen Zusammenhänge lassen sich ableiten?
Rätz formuliert in ihrem Fachvortrag folgende Punkte, wenn Kinder und Institutionen aneinander scheitern (2016, S. 48 – 53):
- Hilfe erfordert Zeit: Oft haben die Kinder eine bewegte Vergangenheit, ihre Verarbeitung und ihr Umgang damit ist individuell. Eine Platzierung ist eine Umstellung in eine neue Umgebung und oftmals mit gerahmten Zeitstrukturen verbunden, welche eine gewisse Dauer bedarf.
- Gewährleistung der Grundversorgung: Diese ist hilfreich, um das Kind in der Institution ankommen zu lassen. Später kann sich zu dieser Unterstützung der Zugang öffnen für weitere Hilfsangebote.
- Beziehung: Die beständige Beziehung zwischen den betreuenden Fachpersonen und dem Kind ist nicht an Bedingungen geknüpft. Die betreuenden Fachpersonen sollen immer wieder Angebote an das Kind machen und somit den Kontakt aufrechterhalten. Durch diese Beständigkeit erfährt das Kind, dass es sich auf das Hilfesystem verlassen kann.
- Dialog: Durch das Zuhören unterstützen die betreuenden Fachpersonen die Auseinandersetzungs- und Reflexionsprozesse des Kindes. Dabei ist es wichtig, die Grenzen des Erzählens zu respektieren.
- Emotionale Äusserungen: Das Zulassen und Aushalten unterstützen dessen Ausleben. Sie sind Bewältigungsstrategien, diese sollen akzeptiert werden.
- Vorerfahrungen: Diese sollen in die aktuelle Hilfe eingebunden werden, damit das Kind sein Leben verstehen und bewältigen kann.
- Gemeinsames Vorhaben: Alltägliche Situationen eignen sich, um Themen wahrzunehmen, welche das Kind interessieren. Ebenfalls können Stärken erkannt werden.
- Soziales Handeln: Ist lebensgeschichtlich entstanden, die Bedeutung der Handlungen soll verstanden versucht werden und sollte deshalb in ihrer Entstehung rekonstruiert werden. Wechselseitiges aufeinander bezogenes Handeln sollte berücksichtigt werden.
- Konflikte: Die Auseinandersetzung mit Konflikten gehört zur Entwicklung, ihnen sollte konstruktiv begegnet werden.
- Entscheidungen: Das Kind sollte selbständige Entscheidungen treffen, um so auch dessen Auswirkungen wahrnehmen zu können. Die betreuenden Fachpersonen unterstützen es nach Bedarf.
- Handlungsspielraum: Anstelle von Grenzen das Mögliche und Machbare aufzeigen.
- Externe Beschwerdemöglichkeiten: Diese eröffnen die Möglichkeit ausserhalb der Organisation seine Anliegen anzubringen.
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Weiterführende Literatur (Auswahl)
Baumann, M., Bolz, T. und Albers, V. (2020). Systemsprenger in der Schule. Weinheim Basel: Beltz.
Behrens, D. und Mansfeld, K. (2020). Wenn Hilfsysteme nicht greifen. Sozialwirtschaft, 30 (2) 24-25. doi:10.5771/1613-0707-2020-2-24
Herz, B. (2006). Lernen für Grenzgänger. Münster: Waxmann.
Rätz, R. (2016). Was tun, wenn Kinder und Jugendliche und Erziehungshilfen aneinander scheitern? In Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH (Hrsg.), Systemsprenger verhindern – wie werden die Schwierigen zu den Schwierigsten? (S. 41-60). Berlin: Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH.
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Ab hier Beiträge von Studierenden aus dem 1. Zukunftslabor, Herbstsemester 2019/2020:
«Transparenz in der Kinder- und Jugendhilfe» [Partizipation]
Auf der Seite www.wif.swiss gibt es einen Eintrag bezüglich Partizipation der Kinder und Jugendlichen, es wird jedoch nicht erwähnt, was das in Bezug auf Transparenz bedeutet. Daraus haben wir folgende Fragestellung entwickelt:
Welche Informationen müssen, dürfen oder sollen an die Adressat*innen weitergegeben werden?
Obwohl es ethische Grundlagen gibt, die dafürsprechen, dass Transparenz gegenüber den Kindern und Jugendlichen sowie deren Bezugssystemen wichtig ist, damit diese partizipieren können, muss im Einzelfall individuell entschieden werden, wie, mit wem und wann dies geschieht. Denn gewisse Information können schutzbedürftigen Betroffenen je nach Einbettung auch schaden.
Bedeutend ist es, im Einzelfall die ethischen Grundlagen abzuwägen und zu bedenken, was für Konsequenzen für die Betroffenen entstehen können. Meysen und Kelly (2017) bringen den Umgang mit Informationen mit nachfolgender Aussage auf den Punkt:
“Ethischer Einsatz für diejenigen, die Schutz und Unterstützung bedürfen, kann nicht mit einem Verstecken hinter Regeln und Vorschriften erarbeitet werden” (S. 51).
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Weiterführende Literatur:
AvenirSocial. (2010). Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz. Ein Argumentarium für die Praxis der Professionellen. Bern, Professionelle Soziale Arbeit Schweiz. Verfügbar unter: https://www.hilfswerkuri.ch/fi...
Conelli, G. P. & Mattei, R. (2017). Beziehungskontinuität ist die Grundlage des Engagements. #prison-info. Das Magazin zum Straf- und Massnahmenvollzug, (2), 22-27.
Günder, R. (2011). Praxis und Methoden der Heimerziehung. Entwicklungen, Veränderung und Perspektiven der stationären Erziehungshilfen. (4. Aufl.). Verfügbar unter: https://content-select.com/med...
Meysen, T. & Kelly, L. (2017). Grundlagen für ethische Praxis bei Interventionen im Kinderschutz. Forum Erziehungshilfen, 23 (1), 49-52.Meysen, T. & Kelly, L. (2017). Grundlagen für ethische Praxis bei Interventionen im "Kinderschutz. Forum Erziehungshilfen, 23 (1), 49-52.
«Vertrauensperson» [Prozesse/Zusammenarbeit mit jungen Menschen]
Im Bereich «Prozesse» auf www.wif.swiss gibt es noch keine Reflexionsfragen. Doch wären solche, bspw. im Zusammenhang mit einer dialogischen Rollenklärung der «Vertrauensperson» für junge Menschen in der Fremdplatzierung auch hier angebracht. Mögliche Reflexionsfragen in Bezug auf Vertrauensperson sind aus unserer Sicht im Bereich
Platzierungs- und Betreuungsprozess:
- Ist die Installation einer Vertrauensperson im Platzierungsprozess im Rahmen der Mandatsführung integriert?
- Wird die Vertrauenspersonen auch zu Standortgesprächen eingeladen?
- ausdefinierte rechtliche Grundlage, auch in Bezug auf die Auftragserteilung durch die KESB an den Beistand resp. die Beiständin
- Definition von Mitsprache- / Mitbestimmungsrecht vs. beratende Funktion
- Wurde das Kind auf sein Recht, eine Vertrauensperson zu benennen, aufmerksam gemacht?
- Wurde eine Vertrauensperson gemeinsam mit dem Kind festgelegt?
- Findet regelmässiger Austausch zwischen der Vertrauensperson und dem professionelle Hilfesystem statt?
Reflexionsfragen zur Rollenklärung der Vertrauensperson
Aus unserer Sicht müssen folgende Punkte zur Klärung der Rolle der Vertrauensperson diskutiert werden:
- Bestimmung der Vertrauensperson durch das Kind ohne Beeinflussung durch Erwachsene
- Unabhängigkeit der Vertrauensperson (nicht Teil des professionellen Hilfesystems)
- professionell vs. freiwillig (entlohnt oder unentgeltlich)
- Definition von Aufgabenbereich, Kompetenzen und Verantwortung
Konkrete Auftragserteilung oder Benennung von Vertrauenspersonen können unserer Meinung nach erst nach einer erfolgreichen Klärung der offenen Punkte erfolgen. Somit wäre auch eine Grundlage dafür geschaffen, damit die rechtliche Verpflichtung aus Art. 1a Abs. 2 PAVO eingehalten werden kann.
Beitrag zum Stichwortverzeichnis auf www.wif.swiss
Vertrauensperson: Die Vertrauensperson versteht sich als Ansprechperson ausserhalb (oder auch innerhalb) des professionellen Hilfesystems. Sie stärkt die Position von jungen Menschen im Platzierungsprozess und steht ihnen bei Fragen und Belangen des Lebens zur Seite. Wenn immer möglich wird sie von den Kindern und Jugendlichen selbst gewählt.
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Weiterführende Literatur
Nowacki, K. & Remiorz, S. (2018). Bindung bei Pflegekindern: Bedeutung, Entwicklung und Förderung. Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag.
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Bezirke Winterthur und Andelfingen. (2014). Richtlinie Erteilung einer Bewilligung zur Aufnahme eines Pflegekindes (Pflegeplatzbewilligung). Verfügbar unter: https://kesb-wa.ch/wp-content/...
Bärtschi, J. & Thomet, V. 2018. Systematische Ernennung einer Vertrauensperson für das platzierte Kind. Verfügbar unter: https://www.kokes.ch/applicati...
Rosch, D., Fountoulakis, C. & Heck, C. (Hrsg.). 2016. Handbuch Kindes- und Erwachsenenschutz. Recht und Methodik für Fachleute. Bern: Haupt Verlag. S. 437.
Seiterle, N. (2018). Schlussbericht Bestandsaufnahme Pflegekinder und Heimkinder Schweiz 2015-2017. Zürich: Pach (Pflege- und Adoptivkinder Schweiz) und Integras (Fachverband Sozial- und Sonderpädagogik).
SODK & Kokes. (2019). Empfehlungen der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) und der Konferenz für Kinder- und Erwachsenenschutz (Kokes) zur ausserfamiliären Platzierung (Unveröffentlichtes Dokument). Bern: SODK
«Systemsprenger - wer sprengt welches System?» [Diagnostik & Abklärung/Partizipation]
Aufgrund unseres eingebetteten Fachinputs bezüglich einer Falldiskussion kommen wir zu folgenden Reflexionsfragen, die als Anregung dienen sollen, um eine fach- und adressatengerechte Haltung im Zusammenhang mit den sogenannten «Systemsprenger*innen» zu festigen.
- Welche Möglichkeiten gibt es, um einer Situationszuspitzung bei “Systemsprengern” entgegenzuwirken?
- Inwieweit bedenken Fachpersonen im Kindsschutzwesen, was vorherige Massnahmen für Konsequenzen mit sich brachten, warum dies der Fall war und inwieweit das für die weitere Planung eine Rolle spielt?
- Inwieweit müssen wir zu Hermann Nohl’s (1933) Grundformel „Nicht die Probleme, die der Jugendliche macht, sondern die die er hat, haben die Sozialpädagogik zu interessieren“, zurückkehren
- Soll man den Fokus vor allem auf die Kinder und Jugendlichen legen oder sollte vermehrt auch mit dem Herkunftssystem zusammengearbeitet werden
- Beim Begriff “Systemsprenger” liegt der der Fokus auf dem Kind, welches in kein System passt. Inwiefern sind diese Zuschreibung und Defizitorientierung gerechtfertigt? Inwiefern zielführend angesichts des Auftrags der Sozialpädagogik
- Inwiefern könnte eine erzwungene Platzierung nicht sogar die Wut, das Abgrenzungsverhalten, den Widerstand und das sogenannte Devianzverhalten etc. des Jugendlichen verstärken? Was könnte diese Konsequenzen abschwächen?
- Könnten unvorhersehbare Bezugspersonenwechsel in dieser heiklen Entwicklungsphase des Kindes kontraproduktiv sein?
- Wie kann man die Eltern vermehrt in die Verantwortung miteinbeziehen und dennoch unterstützen und stärken?
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Weiterführende Literatur
Blülle, S. (1996). Ausserfamiliäre Plazierung. Zürich: Schweizerischer Fachverband für Sozial- und Heilpädagogik.
Böhnisch L. & Schröer W. (2015). Devianz als Bewältigungsverhalten. In B. Dollinger & N. Oelkers, (Hrsg.) Sozialpädagogische Perspektiven auf Devianz (S.121-135). Weinheim und Basel: Juventa Verlag GmbH.
Bohnstengel, L. (2009). Kinder und Jugendliche mit Traumasymptomatik als Heraus-forderung für die Inobhutnahme. In G. Lewis, R. Riehm, A. Neumann-Witt, L. Bohnstengel, S. Köstler & G. Hensen (Hrsg.), Inobhutnahme konkret (S. 153-169). Regensburg: Walhalla Fachverlag.
Integras Fachverband Sozial- und Sonderpädagogik, & ZHAW Soziale Arbeit. (o. J.). Wissenslandschaft Fremdplatzierung. Zugriff am 24. Oktober 2019. Verfügbar unter: https://www.wif.swiss/prozesse...
Integras Fachverband Sozial- und Sonderpädagogik (2009). Die Platzierung von Kin-dern und Jugendlichen in sozial- und sonderpädagogisch Einrichtungen. Zü-rich: o.A.
Krause, H. U. (2019). Beteiligung als umfassende Kultur in den Organisationen der Hilfen zur Erziehung: Haltungen - Methoden - Strukturen. Regensburg: Interna-tionale Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGFH-Sektion Bundesrepublik Deutschland der Fédération Internationale des Communautés Educatives e.V.).
Müller B. & Schwabe M. (2009). Pädagogik mit schwierigen Jugendlichen: Ethnogra-fische Erkundungen zur Einführung in die Hilfen zur Erziehung. Weinheim und München: Juventa Verlag.
Nohl, H. (1933): Die Theorie der Bildung. In: H. Nohl & L. Pallat, (Hrsg.), Handbuch der Pädagogik. Bd. 1 (S. 3-80). Langensalza: Beltz.
Geschwister in Fremdplatzierung: Reflexionsfragen [Kooperation der Akteure/Partizipation]
Immer wieder kommt es zu herausfordernden Situationen und anspruchsvollen Entscheidungen, wenn es um Geschwister in der Fremdplatzierung geht. Dabei können folgende Reflexionsfragen erkenntnis- oder entscheidungsleitend sein:
- Wie wird das Kindswohl definiert?
- Gibt es von der Organisation (in diesem Fall KESB) ein Kompetenztraining für Fachpersonen, um ein professionelles Handeln zu fördern?
- Was sind die verschiedenen Platzierungsschritte bei Geschwistern?
- Woran merke ich, dass eine gemeinsame Platzierung angezeigt ist?
- Woran erkennt man, dass eine gemeinsame Platzierung nicht sinnvoll ist?
- Wobei könnte man bei der Platzierung von Geschwistern an Grenzen stossen?
- Können die Geschwister ihre eigenen Vorschläge zur Platzierung einbringen?
- Inwieweit sollen die Anliegen der Geschwister in den Platzierungsprozess miteinbezogen werden?
- Sind die Möglichkeiten, sich im Platzierungsprozess zu beteiligen an das jeweilige Alter angepasst?
- In welcher Sprache (einfache Erklärung) soll mit den Geschwistern gesprochen werden? Ist diese genügend verständlich?
- Inwiefern kann die Geschlechterkonstellation und/oder das Alter eine Herausforderung bei der Platzierung von Geschwistern darstellen?
- Wie können Erkenntnisse von Platzierungsprozessen von Geschwistern gesammelt werden?
- Welche Herausforderungen ergeben sich für die Fachpersonen im Platzierungsprozess von Geschwistern?
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Weiterführende Literatur:
Brück, N. (2018) Geschwisterbeziehungen und Freundschaften. Kindliche Beziehungen als Entwicklungskontexte für Moral. Wiesbaden: Springer VS.
Heiner, M. & Walter, S. (2010). Geschwisterbeziehungen in der ausserfamilialen Unterbringung. Erkenntnislage und Entwicklungsbedarf. München: SOS Kinderdorf Sozialpädagogisches Institut.
Quality4Children. (o.D.). Quality4Children Standards in der ausserfamiliären Betreuung in Europa. Verfügbar unter: http://www.quality4children.ch...
Verein Espoir (2018). Geschwisterplatzierung getrennt oder gemeinsam? Verfügbar unter: https://www.vereinespoir.ch/fi...
Verantwortungen bei der Fallführung - ein Checklistenentwurf [Kooperation der Akteure/Partizipation]
Die folgende Checkliste, die an unser Fallbeispiel angelehnt ist, soll als Orientierungshilfe in der Fallführung und Fallbegleitung dienen, so dass Zuständigkeiten fortlaufend neu präzisiert und reflektiert werden. Dies soll zu einer verbesserten Kooperation und Kommunikation der involvierten Akteure beitragen. Die Checkliste ist keinesfalls abschliessend und muss auf einzelne Fallbeispiele erweitert und angepasst werden:
Institution
- Die Erwartungen seitens Beistand sind geklärt.
- Überprüft ob das Setting passt.
- Gewährleistung von adäquaten Arbeitsbedingungen (Sicherheitsdispositiv, Betreuungsschlüssel, Ressourcen etc.)
- Qualitätssicherung (qualifiziertes Personal)
- Wirkungsevaluation: Wird der institutionelle Auftrag erfüllt?
Bezugsperson
- Der individuelle Auftrag ist bekannt.
- Bedürfnisorientierte Betreuung wird geleistet.
- Individuelle zielorientierte Förderung ist gewährleistet.
- Es besteht (den Möglichkeiten entsprechend) ein persönlicher Verkehr mit dem familiären Umfeld.
- Informationspflicht zu Institution sowie Beistand ist gewährleistet.
- Ist die momentane Betreuungssituation mit berufsethischen Normen und Werten vereinbar?
Beistandschaft
- Der Auftrag mit der Institution ist geklärt.
- Bedürfnisorientierte Betreuung wird eingefordert und kontrolliert.
- Die Finanzierung ist gewährleistet.
- Weitere in der Erziehung und Betreuung involvierte Personen (z.B. familiäres Umfeld) werden eingebunden.
- Es werden Unterstützungs- und Organisationshilfen für die Eltern vermittelt.
- Die Eltern werden zureichend gestärkt und in ihren Ressourcen unterstützt.
- Es besteht Kontakt zum betroffenen Kind (Überblick über die Situation, Wünsche und Bedürfnisse des Kindes verschaffen und Entwicklung begleiten).
- Der persönliche Verkehr ist geregelt.
- Zukunftsperspektiven werden verfolgt und zielorientiert umgesetzt.
- Wird das Mitspracherecht des Kindes berücksichtigt?
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Weiterführende Literatur
Ackermann, T. & Robin, P. (2018). Partizipation, Akteure und Entscheidungen im
Kinderschutz – Wie lassen sich hilfreiche Prozesse zwischen allen Beteiligten gestalten? In
M. Böwer & J. Kotthaus (Hrsg.), Praxisbuch Kinderschutz (S. 189-206). Weinheim Basel:
Beltz Juventa.
Integras Fachverband Sozial- und Sonderpädagogik & Zürcher Hochschule für Angewandte
Wissenschaften ZHAW Soziale Arbeit (Hrsg.). (o.D.). Betreuungsprozess. Verfügbar unter:
https://www.wif.swiss/prozesse...
Müller, B. (2017). Sozialpädagogisches Können: Ein Lehrbuch zur multiperspektivischen
Fallarbeit (8. Aufl.). Freiburg im Breisgau: Lambertus-Verlag.
Literaturempfehlung zum Berufseinstieg in Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe: